Das private Stiftungswesen in Deutschland ist im Vergleich etwa mit den angelsächsischen Staaten erschreckend unterentwickelt. Dies gilt nicht zuletzt für den universitären Bereich und hier wieder besonders für die Geisteswissenschaften. Während im allgemeinen eher über Gro▀stiftungen und die Zuwendungen aus der Industrie an die Universitäten berichtet wird, möchte ich im Folgenden auf eine ganz andere Möglichkeit hinweisen, nämlich die Förderung von Forschung und Lehre durch Angehörige der eigenen Universitäten selbst. Ich schreibe dabei aus der Sicht der Geisteswissenschaften, wo man schon mit kleineren Beträgen etwas erreichen kann.
Für einen Universitätslehrer liegt es eigentlich nahe, an die Förderung des eigenen Fachgebiets zu denken: Die Fakultät, in der er unter Umständen Jahrzehnte hin wirkte, ist ihm doch zu so etwas wie einer geistigen Heimat geworden, mit deren Sorgen und Geschick er sich zeitlebens auch noch als Emeritus verbunden wei▀, Forschung und Lehre seines Faches waren in der Regel die von ihm gewählten Lebensaufgaben, und man darf wohl annehmen, da▀ sie ihm zumeist Freude bereitet haben. Eine Stiftung kann vom Stifter direkt auf die Bedürfnisse seiner Fakultät (bzw. seines Faches) hin ausgerichtet werden, ja sollte sogar in enger Abstimmung erfolgen. Auch eine bewu▀t fächerübergreifende, verschiedene Fakultäten verbindende Lösung wäre denkbar. Sie könnte dann zu einem Kristallisationspunkt für spätere, auch kleinere Zustiftungen und Vermächtnisse werden.
Universitätslehrer gehören dem gehobenen Mittelstand an. Nicht wenige sind unverheiratet oder kinderlos, manche vielleicht etwas vermögend, und hier stellt sich unwillkürlich die Frage nach der Gestaltung des Testaments und der Erben. Leider ist Deutschland auch in diesem Punkte in Rückstand. Während in England für 1992 etwa 5 Milliarden DM aus Erbvermächtnissen für Universitäten, wissenschaftliche oder kirchliche Einrichtungen zusammenkamen, war es in Deutschland trotz der höheren Bevölkerungszahl und grö▀eren Reichtums nur eine Milliarde. Dabei ist der Zugriff des Staates durch die Erbschaftssteuer bei entfernteren Verwandten oder Nichtverwandten sehr hoch. Bei einer gemeinnützigen Stiftung bleibt dagegen das Vermögen ungeschmälert für einen guten Zweck erhalten.
Als Form scheint mir die unselbständige Stiftung weniger sinnvoll zu sein, in der man den vorgesehenen Betrag einfach dem Universitätsbund oder einer ähnlichen Institution überschreibt, denn damit wird die Kontrolle über die Verwendung der Förderungsmittel schwieriger. Es ergibt sich hier meiner Erfahrung nach zu leicht eine Interessenkollision zwischen der Institution, die auf das Ganze sehen mu▀, und den gewünschten fach- oder fakultätsbezogenen Zielen des Stifters. So legt sich als äu▀ere Form eine rechtsfähige, d.h. selbständige Stiftung bürgerlichen Rechts mit ausschlie▀lich wissenschaftlicher Zwecksetzung nahe, deren Satzung vom jeweiligen Regierungspräsidium genehmigt und vom Finanzamt auf seine Gemeinnützigkeit und Steuerbefreiung geprüft werden mu▀. Eine derartige Stiftung kann auch schrittweise aufgebaut und dann erst durch den Erbfall vollendet werden
Ist eine derartige Institution einmal ins Leben gerufen, kann sie weiter wachsen und in vielfältiger Weise wirksam werden, vor allem in Zeiten, in denen rigorose Sparma▀nahmen den Fakultäten und Einzeldisziplinen fast den Lebensnerv abschnüren. Auch bei einem geringeren Volumen - etwa einem Kapital ab 100.000 DM - wäre sie in der Lage, bei den vielen 'Kleinigkeiten' auszuhelfen, die den Universitätsbetrieb erschweren. Wesentlich ist, da▀ das Kapital nicht in kurzsichtiger Weise rasch aufgebraucht, sondern erhalten bleibt oder noch besser langsam aufgestockt wird und da▀ die Arbeit einer solchen Stiftung auch in gewisser Öffentlichkeit geschieht.
Bei der heutigen bedrückenden Situation würde man damit beweisen, da▀ man nicht nur klagt, sondern im eigenen beschränkten Rahmen an Schritte der Selbsthilfe denkt.
Dieser Beitrag ist eine gekürzte Fassung eines Artikels, der in 'Forschung und Lehre' 4/97 erschienen ist.
Der Autor hat vor vier Jahren die Philipp-Melanchthon-Stiftung begründet, deren weitgefa▀ter Zweck "die wissenschaftliche Förderung der historischen Theologie und ihrer philologischen Hilfsdisziplinen" ist. Im Mittelpunkt steht dabei die "Förderung der Ausbildung des ...wissenschaftlichen Nachwuchses in den klassischen und orientalischen Sprachen" durch besondere Lektürekurse mit fachgerechter Anleitung. Hinzu kommt eine intensive Beratungstätigkeit und die Veranstaltung von Gastvorlesungen und Seminaren, die die Brücken zwischen Philologie und Theologie schlagen.
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